Industrie 4.0 – Revolution oder Evolution für den Einkauf?
Industrie 4.0 ist heute in aller Munde. Doch was bedeutet dieser Megatrend eigentlich für die industrielle Praxis? Wie verändern sich in der Zukunft Fertigungs- und Lieferkonzepte und welche Implikationen haben diese Veränderungen für den Einkauf?
Diesen Fragen ging Prof. Dr. Bräkling mit seinem Vortrag am 22. November 2017 in der IHK-BME Region Darmstadt auf den Grund.
In einer kompakten Zusammenfassung der aktuellen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung wurde zunächst veranschaulicht, was Industrie 4.0 in der Praxis bedeutet, wer die Treiber dieser Entwicklung sind und wie sich in diesem Kontext die Wertschöpfungsstrukturen weiter verändern. Aufbauend auf diesem Verständnis wurde diskutiert, in welchen Bereichen, in welcher Intensität, in welcher Form und in welcher Geschwindigkeit sich daraus Anpassungserfordernisse für einen modernen Industrieeinkauf ergeben.
Im Kern stand also die Frage, ob wir im Einkauf vor einer Revolution stehen oder ob wir uns bereits in einer sukzessiven Evolution befinden. Die Antwort von Prof. Bräkling war hier ganz eindeutig, dass es sich hier um einen evolutionären Prozess handelt. Zudem wollte er keine 132. Definition für Industrie 4.0 hinzufügen, sondern vertrat die Ansicht, dass es darauf ankommt in welcher Branche, welchen Märkten mit welchen Kunden und Zielgruppen man sich befindet. Die zentrale Frage hierbei sei: Wie schnell müssen Produkte und Dienstleistungen individualisiert sein. Dies sei bei einem Hersteller von passgenauen Hüftprothesen ganz anders zu sehen, als beispielsweise bei einem Zementhersteller.
Und auf die Kernfrage, ob der Einkauf durch 4.0 obsolet wird, gab es auch eine erfreulich klare Aussage: Der Einkauf 4.0 wird sich zwar verändern, aber Einkauf in den wesentlichen Sektoren bleibt „People Business“. Er wird sich von starren Strukturen hin zu flexiblen Teamstrukturen analog dem Produkt LifeCycle verändern. Aber natürlich verändern sich die Anforderungen in den verschiedenen Warengruppen unterschiedlich schnell. Ebenso bei Lieferantenmanagement, Risikomanagement und Beschaffungsstrategien. Es werden künftig vor allem sogenannte „Tech-Heads“ und „Deal-Maker“ benötigt werden. Eine große Herausforderung stellt die IT-Sicherheit und Datensicherheit dar. Und auch die „Informations-Asymmetrie“.
Referent:
Prof. Dr. Bräkling lehrt und forscht seit über 9 Jahren an der Hochschule Koblenz in den Themenfeldern Beschaffung und Logistik. In seinen Aufgaben greift er auf weit mehr als 10 Jahre industrielle Führungserfahrung, insbesondere in der Automobilindustrie, zurück. Ergänzend begleitet er als geschäftsführender Gesellschafter der PIP-Power in Procurement GmbH diverse Unternehmen bei der weiteren Professionalisierung ihrer Einkaufsorganisation.
Bildquellenangabe: Friedrich J. Graf, Arbeitskreis IHK-BME Region Darmstadt